(…) Nun noch etwas von meinem Treiben und Wirken, an meinem Trauerspiele habe ich bis vor zwey Wochen noch immer fortgeschrieben, und werde auch jetzt wieder dabey anfangen, es geht etwas langsam, aber doch hoffe ich es gegen den Frühling fertig zu bekommen, ich wollte es stände sogleich auf dem Papiere wie ich es denke, denn hell und glänzend steht es vor mir, in seinem ganzen Leben, und oft fallen mir die Strophen in großer Menge bey, aber bis ich sie alle geordnet und aufgeschrieben habe, ist ein großer Theil meiner Begeisterung verraucht, und das Aufschreiben ist mir bey weitem das Mühsamste bey der Sache, doch kömmt es mir vor, als ob sich meine Schreibart besserte, dies sagen mir auch alle, denen ich es auf Verlangen meiner Mutter vorlaß, aber ich fürchte immer, daß diese Menschen gar wenig davon verstehen, denn es sind meistens Frauenzimmer, von denen ich im Ganzen nur wenig Proben eines reinen und soliden Geschmacks gesehn habe, und so fürcht ich sie täuschen sich und mich, ach, mein Freund, wie sehn ich mich dann oft nach ihren lehrreichen Gesprächen, unbefangenem Urtheile, und sanften Tadel, denn was soll mir das Lob von Menschen, welche nicht tadeln können?
Lieber theurer Sprickmann ich sehe es täglich mehr ein, wie unendlich viel ich an ihnen verlohren habe, und wie ich ohne sie nur ein schwaches unselbstständiges Wesen bin, bitten sie Gott um etwas mehr Festigkeit des Karakters für mich, ich flehe täglich zu ihm für ihr Glück,
Ihre Nette v Droste Hülshoff